Rüdiger Safranski

Die Liebe zur Sprache oder Philosophie für alle

„Es machte mir unsägliche Freude, dieses Buch zu schreiben. Aber es war mir nicht klar, dass das auch den Lebensweg entschiede“. Rüdiger Safranskis Grenzgängertum zwischen Philosophie und Literatur begann mit der Entscheidung, E.T.A. Hoffmann nicht in einer Habilitationsschrift der philosophischen Binnenkultur der Universität anheim zu geben. Hoffmann sollte in die Welt wie nach ihm Heidegger, Nietzsche und „Das Böse“, Bestseller allesamt.
Die Philosophie in die Massenkultur Fernsehen zu zerren, hat Safranski allerdings den Missmut der akademischen Philosophie und der schreibenden Schöngeister des Feuilletons eingebracht.

Das philosophische Quartett „Im Glashaus“, gesendet alle paar Wochen sonntags abends im ZDF, ist ein Erfolg. Die Zuschauerreaktion sind freundlich, die Einschaltquoten gut. Die Idee dazu hatte er zusammen mit seinem Freund und Kollegen Peter Sloterdijk dem Sender angeboten. „Einige hatten wohl gedacht, wir setzen uns ins Fernsehen und reden über Philosophie. Wir reden aber über die Welt – mit dem philosophischen Blick“, wehrt sich Safranski gegen den allzu engen Blick auf das weite Feld seines Faches.

Man musste mal in Berlin gewesen sein

1965 kam der 57-jährige Württemberger nach Berlin an die FU und studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte. „Man musste mal in Berlin gewesen sein.“ Dass daraus 37 Jahre würden, war nicht voherzusehen.
„Es war auch die FU, die mich hielt, und die kleine Rebellion, die wir für eine große hielten.“ Von 1971 bis 1977 war er Assistent im FachbereichGermanistik und erforschte die Romantik, besonders E.T.A. Hoffmann, Eichendorff, die Manns, Enzensberger, machte Methodenseminare, bevor ihn die Entscheidung für das Buch aus der Uni hinausführte.

Eine gute Entscheidung: Philosophische Literatur erzielt hohe Auflagen, und nun hat das spröde Fach sogar den Schritt ins Massenmedium geschafft.
„Philosophie hat Konjunktur wie nie“, weiß der Grenzgänger Safranski. Wo Religion als moralische Reflexionsinstanz und Literatur als Welterklärung zu eng werden, verschafft sie „geistige Geräumigkeit“ und bietet Orientierung in einer Welt, in der Technik und Wissenschaft ihre Erkenntnisse nur allzu häufig als geoffenbarte Wahrheit verkaufen. Philosophie dagegen betreibt Autonomieverstärkung ganz im Sinne von Sokrates: Der Philosoph ist nur Geburtshelfer, denn die Lösung liegt schon in jedem selber.

„Die praktische Philosophie und Philosophieschriftsteller wie ich nehmen die akademische Philosophie in die Zange. Aber es gibt großen und kleinen Grenzverkehr“. Der Blick in die neue Welt zeigt es wie so häufig: Auch mit schweren Stoffen tun sich die Amerikaner leichter. Sie sind „souveräner im Umgang mit der Philosopie“, erzählt Safranski. Sein Heidegger-Buch wird im normalen Uni-Unterricht verwendet. Hier zu Lande ist ein gut geschriebenes, verständliches Buch noch allzu oft dem Verdacht der Unwissenschaftlichkeit ausgesetzt.

Verständlichkeit ist zuerst eine Frage des Verstehens

Verständlichkeit allerdings ist zuallererst eine Frage des Verstehens, findet Safranski: „Wenn ich selber verstehe, verstehen auch die anderen, und dann habe ich auch eine Sprache dafür. Man hat oft das Gefühl, dass manche Autoren nur noch Terminologien auf dem Schachbrett hin und herschieben. Und es drängt sich die Frage auf: ‚Worum geht’s eigentlich?’“ Doch es gibt Hoffnung. „Besonders bei jüngeren Philosophen erkennt man die Tendenz, sich verständlich machen zu wollen“. Die Faszination des „Philosophischen in der Literatur und des Literarischen in der Philosophie“, die den „Meistererzähler“ ergriffen hat, könnte da helfen. Eines seiner stärksten Motive, den Elfenbeinturm zu verlassen: „Ich liebe die Sprache.“

Safranskis „unsägliche Freude“ hat ihn zum erfolgreichen Schriftsteller gemacht. Nachwachsenden Philosophen rät er aber sicherheitshalber „zu etwas Handfestem für den Brotberuf“ – ohne jedoch von der Philosophie zu lassen.

„Man verdient zwar nichts, aber man bekommt etwas.“

Susanne Weiss

Foto: Udo Weier  CC BY-SA 3.0