Guter Draht zum Molekül
Molekularer Schalter aus Porphyrinen. Abb.: FU
Francesca Moresco nimmt einen Bleistift und zeichnet eine Spitze mit einer kleinen Kugel am Ende – ein Atom. Die Fläche darunter sieht eben aus, bis auch sie mit Atom-Kugeln versehen ist. Die Spitze wird im Abstand von wenigen Atomdurchmessern zeilenweise über die Oberfläche bewegt, um ein Bild aufzuzeichnen. Die Bleistiftspitze, mit der Francesca Moresco die erklärenden Pfeile zeichnet, ist etwa 10 Millionen Mal größer als eines der Atome, die sie mit der Spitze bewegt.
An der FU werden seit 10 Jahren Rastertunnelmikroskope (RTM) gebaut, ein Gerät, für dessen Erfindung Gerd Binning und Heinrich Rohrer bei IBM Zürich 1986 den Nobelpreis bekamen. Es war eine Revolution der Physik, denn man kann damit in Bereiche der Materie vorstoßen, die sich der alltagstrainierten Vorstellungskraft entziehen.
Francesca Moresco erforscht nicht nur das Innerste der Materie, sie manipuliert es sogar. Mit dem Bleistift skizziert sie Porphyrine, verzweigte Moleküle, die in der Natur als Basis für Pigmente vorkommen. Moresco und ihre Kollegen arbeiten nahe dem absoluten Temperatur-Nullpunkt im heliumgekühlten RTM. Der Druck von 10–10 Millibar in der Ultra-Hoch-Vakuum-Kammer, in der sich das Gerät befindet, entspricht etwa dem Druck im sonnenfernen Weltraum. Starr vor Kälte können sich die Porphyrine nun nicht mehr dagegen wehren, dass Moresco ihnen quasi die Beine wegzieht. Dadurch hat sie einen einfachen molekularen Schalter „gebaut“.
Molekulare Elektronik
„Die ganze Nanoforschung ist sehr aktuell“, sagt Moresco. Man will alles immer kleiner machen, vor allem natürlich Speichermedien für immer leistungsfähigere Computer. Einzelne Moleküle als Bausteine wären eine ultimative Lösung. Wir sind aber noch weit von der Anwendung entfernt. Im Moment ist das alles noch Grundlagenforschung.“
Francesca Moresco und ihre Mitarbeiter experimentieren mit Molekülen, die Modellsysteme für molekulare Drähte und Schalter sind. Ein besonderes Problem und Kernpunkt ihres Interesses ist dabei die Verbindung eines einzelnen Moleküls an elektrische Schaltkreise herkömmlicher Größenordung. Moresco: „Wie verbinde ich das Molekül mit dem Rest der Welt?“ Denn selbst mit dem allerfeinsten Draht käme das Kontaktieren eines Moleküls dem Versuch gleich, mit einem Gabelstapler eine Erbse aufzuspießen.
2003 wird sie sich bei Karl-Heinz Rieder habilitieren mit ihrer Arbeit an Porphyrinen. „Es ist immer noch nicht leicht für Frauen in der Physik“, weiß die 37-jährige Wahlberlinerin. „Manchmal wird man bestaunt wie ein komisches Tier.“ Das war in Italien, wo sie einige Jahre als Gymnasial-Lehrerin gearbeitet hatte („nicht mein Traumberuf“), anders. Und wie ist Berlin? Francesca Moresco legt den Bleistift hin. „Es ist gut hier“, sagt sie, „aber manchmal vermisse ich das Meer“.
Susanne Weiss
Abb.: WW / FU